Auch dieses Jahr hatte ich erneut die große Freude, den Tagen der deutschsprachigen Literatur - auch als Bachmannpreiswettbewerb bekannt - vor Ort in Klagenfurt beizuwohnen.
Es war - wie jedes Jahr aufs Neue - eine wunderbare Erfahrung!
Klagenfurter Literaturkurs
Für mich fängt der Bachmannpreis allerdings bereits am Mittwoch am frühen Nachmittag an, und zwar mit den Lesungen der Stipendiaten des Klagenfurter Literaturkurses. Denn am Mittwoch, kurz vor der Eröffnungsfeier des Bachmannpreises, endet der Literaturkurs mit einer Lesung aller neun Teilnehmer*innen. Sowohl der Literaturkurs als auch die Abschlusslesungen finden im Musilmuseum statt.
Dieses Jahr war zum ersten Mal als Tutorin Julia Weber dabei, die ich bereits vor Jahren - anlässlich des Franz-Tumler-Literaturpreises in Laas kennenlernte. Umso mehr freute ich mich auf das Wiedersehen in Klagenfurt und auf das Gespräch mit Julia über den Kurs und die Arbeitsweise. Dieses Gespräch kann auf meinem Instagram-Account nachgeschaut werden.
Die Lesungen der Stipendiat*innen dauern von 14 bis ca. 17 Uhr. Es ist zwar eine recht sportliche Veranstaltung, sowohl für die Teilnehmenden als auch für die Zuhörer. Denn es werden nacheinander, mit zwei Pausen, neun Kurztexte vorgelesen. Es wäre gelogen, wenn ich an dieser Stelle behaupten würde, dass alle Texte mich angesprochen hätten. Manche waren mehr andere weniger konventionell aufgebaut, manche versuchten, mit aktuellen Themen die Aufmerksamkeit zu erhaschen und anderen wiederum fehlte noch das gewisse Etwas, was sie aus der Schaar der "Gut"-Schreibenden erheben würde. Womöglich liegt es auch an meinem steigenden Alter, dass mir im Allgemeinen immer mehr Text der Gegenwartsliteratur banal und belanglos vorkommen. Dennoch lohnt sich die Teilnahme an der Lesung, denn es ist nicht selten vorgekommen, dass man schon dem einen oder der anderen einige Jahre später doch literarisch begegnete. Nicht zuletzt war auch Julia Weber vor vielen Jahren selbst eine Teilnehmerin an dem Klagenfurter Literaturkurs.
Nach den erfolgten Lesungen habe ich mich noch mit Dr. Heimo Strempfl - dem Leiter des Musilmuseums in Klagenfurt, der für den Literaturkurs verantwortlich ist, unterhalten. Auch dieses Gespräch lässt sich auf Instagram nachhören:
Eröffnungsveranstaltung
Die Eröffnung der Tage der deutschsprachigen Literatur war bisher meist ein Abend, an dem einige "Standardreden" gehalten und die Lesereihenfolge ausgelost wurden. Im Zentrum der Gala stand dagegen die Klagenfurter Rede zur Literatur. Dieses Jahr war es jedoch ein wenig anders, denn mein Eindruck war, dass alle, die an dem Tag zu Wort kamen, die fünf Minuten der Öffentlichkeit für eigene Themen nutzen und sich selber ein Stück weiter profilieren wollten. Dies führte dazu, dass die Rede von Tanja Maljartschuk nicht so herausstach, wie dies bei der Vorredner*innen der letzten Jahre der Fall gewesen ist. Es ist weder mein Ziel noch mein Anliegen, mich an dieser Stelle mit allen gehaltenen Reden auseinanderzusetzen. Doch ich würde gerne auf einige Punkte eingehen, die mir aus dem einen oder dem anderen Grund interessant vorkamen.
Zunächst zur Begrüßungsrede der Direktorin des ORF Kärnten, Karin Bernhard. Die Künstliche Intelligenz ist seit einigen Monaten ein brisantes Thema geworden. So wollte sich auch die Direktorin als eine Person zeigen, die am Puls der Zeit ist.... Dafür hat sie ihren Avatar entwickelt (bzw. entwickeln lassen) und ihn - als die Künstliche Intelligenz getarnt, die "für den Fortschritt und die Möglichkeiten [steht], die uns die Technologie bietet" - das Publikum zunächst begrüßen lassen. Man muss diesen Auftritt mit Augenzwinkern betrachten. Dies haben die meisten auch getan. Warum finde ich es aber problematisch? Hierfür erscheinen mir zwei Aspekte fraglich.
Erstens: Die Künstliche Intelligenz ist kein Avatar, der wie Frau Bernhard aussieht und das sagt, was ihm die Direktorin des ORF in den Mund legt. Für viele mag der Auftritt lustig gewesen sein, (überraschend war er für viele allemal!). Doch technisch korrekt und auf dem neusten Stand der Technologie war es keinesfalls, und somit eigentlich als eine Farce zu betrachten.
Zweitens: Eigentlich wollte sich die Direktorin als eine Person zeigen, die die modernste Technik kennt und sie auch zu bedienen weiß. Doch die unbeabsichtigte Message, die bei diesem Auftritt mitgeschickt wurde, war die Angst davor, die KI könnte die letzte Eigenschaft, durch die sich die Menschheit bisher definierte, ersetzen - die menschliche Kreativität - und in der Zukunft eigenständig literarische Texte produzieren. Diese Angst schien die Anwesenden infiziert zu haben, sodass sich im Laufe der Diskussionen auch die Jury in Zwischentönen fragte, ob sie im Stande wäre, einen von der KI erstellten Text fachmännisch zu erkennen.
Das Wunschdenken der Direktorin, was jedoch nicht von allen geteilt zu sein schien, war, dass die KI es noch nicht schafft. Ich setze die Betonnung auf "noch".
Für alle, die sich selber ein Bild von der Rede der Direktorin des ORF machen wollen, gibt es hier den Link zu ihrer Rede.
Dann hörten wir noch die Klagenfurter Rede zur Literatur 2023 von Tanja Maljartschuk, die sich als eine "gebrochene Autorin" vorstellte, die ihr Vertrauen an die Sprache verloren hat. Hat jemand Tanja Maljartschuk seit letztem Frühjahr noch nicht im Gespräch erleben können, war diese Rede sicherlich sehr bewegend und emotional. Doch mir erzählte sie (leider) nur einige Eckpunkte des Romans, an dem sie zwar seit letztem Jahr nicht mehr weiter arbeiten könne, aber der wahrscheinlich doch bald veröffentlich sein wird. Ich war also zwiespältig, wenn es um den Inhalt der Rede geht. Außer Frage steht, dass es sich hierbei um Schreckliches handelt und ich mir nichts sehnlicher wünsche als Weltfrieden. Dennoch kam es mir während dieser Rede vor, als wäre sie direkt aus dem aktuellen Bühnenprogramm der Autorin rausgekrochen. Ich weiß, ich mache mich jetzt selbst angreifbar, aber es war mir in der Rede doch ein wenig zu viel an Pathos und emotionaler Manipulation. Schade. Sehr schade.
Aber: Während in vergangenen Jahren die Klagenfurter Reden oft inspirierend waren und neue Blickwinkel der Betrachtung aufzeigten, sodass sie immer wieder Nachhall in den Diskussionen der Jury fanden, schienen mir dieses Jahr die zwei oder drei Bezugnahmen zu dieser Rede fast erzwungen. Nach dem Motto: Es wäre unhöflich, wir würden diese Rede unter den Tisch kehren, daher erwähnen wir sie an dieser Stelle.
Lesetage
Viele der Texte waren dieses Jahr erstaunlich gut und trotz einer thematischen Nähe, doch unterschiedlich gestaltet. Schön fand ich auch, dass einige Lesungen zu einer Performance avanciert sind. Davon ist in kommenden Jahren auch sicherlich mehr zu erwarten.
Ich hatte dieses Jahr eine große Freude, über den Bachmannpreis über verschiedene Medien berichten zu können.
So habe ich Tagesberichte für literaturkritk.de geschrieben, war zu Gast bei Barbara Frank in der (Live-)Sendung "Extrazimmer" am 30. Juni im ORF Kärnten (das Audio ist aus rechtlichen Gründen leider nicht mehr verfügbar) und an drei Tagen durfte ich zusammen mit Andrea Diener und Wolfgang Tischer in seinem Bachmann-Podcast auf literaturcafe.de über die Lesungen der Tage diskutieren. Es waren alles tolle Erfahrungen und ich bedanke mich an dieser Stelle bei allen, die "meinen" diesjährigen Bachmannpreis - eben durch diese Diskussionen und den Austausch - noch schöner machten!
Hier geht es zu der Juli-Ausgabe von literaturkritik.de mit dem Schwerpunkt: Bachmann-Preis.
Am 30. Juni war ich auch zu Gast bei Barbara Frank im ORF Kärnten in einer Livesendung "Extrazimmer". Leider ist das Audio aus rechtlichen Gründen nicht mehr verfügbar. (Nach der aktuellen rechtlichen Lage sind tagesaktuelle Radio- und TV-Sendungen in Österreich in der Regel nur ca. 7 Tage nach der Sendung online verfügbar.)
Ein Highlight der Tage war zudem die mehrfache Einladung zum Podcast von literaturcafe.de - Die Gespräche mit Andrea Diener und Wolfgang Tischer über die gehörten Texte waren jedes Mal eine sehr schöne und inspirierende Zusammenfassung des Tages.
Ich war bei der Besprechung des ersten Lesetages, am Samstag - also am dritten Lesetag und nach der Preisverleihung zu einer Abschlussdiskussion dabei.
Alle Berichte zum Bachmann-Preis von literaturcafe.de findet ihr hier.
Zudem habe ich von den jeweiligen Lesungen auf meinem Instagram-Account @literaturwelten_com berichtet.
Darunter findet ihr auch mein kurzes Gespräch mit Mithu Sanyal, die dieses Jahr zum ersten Mal in der Jury saß:
Außerdem habe ich noch (u.a.) viele interessante Menschen kennen gelernt, viel zu wenig Kaffee getrunken, neugierig zugehört, notiert, notiert, notiert, lecker gegessen, eine tolle Bachmann-Preis-Tasche erhalten, nach einem bequemen Schreibplätzchen gesucht, einige schöne Stunden beim Empfang des Bürgermeisters der Stadt Klagenfurt verbracht und mich in einem der Bachmann-Preis-Liegestühle bequem gemacht.
Lieber Bachmann-Preis-Wettbewerb,
nächstes Jahr sehen wir uns wieder!
2023 ging der Bachmannpreis vom 28.06. (Mittwoch) bis am 02.07. (Sonntag)
PS. Falls ihr euch fragt: Ja, man kann einfach dahin. (Man soll aber möglichst führ eine Unterkunft buchen!) Und wenn man noch über den Bachmannpreis in den Medien berichtet, kann man sich zudem noch akkreditieren und eine einzigartige Bachmann-Preis-Tasche erhalten.
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